Beschreibung
Seit drei Jahren ohne Arbeit, weil Arbeit keinen Spaß macht, und seit drei Tagen ohne Alkohol, weil der einen fertigmacht und aufschwemmt, obwohl ein Schlückchen natürlich nicht schlecht wär, nur: woher nehmen, wenn nicht stehlen? Die liebe Ehefrau ist weg, die Wohnung leer bis auf einen kleinen Glücksgott aus Metall, der plötzlich ungeheuer nervt und weg muss, noch heute, stante pede, sofort. Aber ein Gott ist ein Gott, den kann man nicht einfach in die Mülltonne entlassen oder am Bahnhof ins nächste Blumenbeet stellen. Oder doch? So beginnt der japanische Punkrocker Ko Machida sein literarisches Debüt, seinen Graßhoff im Bellman-Rausch, purple verhazed (acting funny, and knowing why), eine hochkomische Achterbahnfahrt, ein sorgfältig komponiertes Sprachfeuerwerk, überhäuft mit so gut wie allen Preisen, die das Land zu bieten hat. Weil eben: grandios.
Autorenportrait
Ko Machida, geboren am 15. Januar 1962 in Sakai (Präfektur Osaka); Musiker (Punk-Rock), Schauspieler, Schriftsteller. Prosadebüt 1996 mit Kussun daikoku ('Vom Versuch, einen Glücksgott loszuwerden'); seither zahlreiche Romane, Essay- und Lyrikbände; ausgezeichnet mit allen wichtigen Literaturpreisen Japans, u. a. dem Noma Newcomer Preis (1997), dem Akutagawa-Preis (2000), dem Hagiwara Sakutaro-Preis (2012), dem Kawabata Yasunari-Preis (2002), dem Tanizaki Junichiro-Preis (2005), dem Noma-Literaturpreis (2008).
Leseprobe
Der Kerl wollte nämlich nicht von alleine stehen, er fiel immer wieder um. Anfangs, der Bursche war immerhin der Gott des Glücks und der Güte, richtete auch ich ihn ahh, der arme Daikoku, der gute Daikoku ist umgefallen jedesmal wieder auf, aber kaum hatte ich mich versehen, lag er schon wieder auf der Seite mit seinem Glückshammer, tat aber, was mich maßlos ärgerte, denn schließlich war er umgefallen und lag da, nicht dergleichen, sondern grinste nur dämlich, im Liegen, eine jämmerliche Figur, der ich am liebsten gesagt hätte, sie solle sich endlich zusammenreißen. Natürlich war ich nicht so verstiegen zu glauben, daß eine Daikokufigur, ein Ding, sich von alleine aufrichten könnte, aber dieses dämliche Grinsen, dieser dummdreiste Gipfel blöden Lachens, brachte mich, und wenn ich zehnmal wußte, daß es sich nur um ein Ding handelte, auf die Palme. Der kommt weg, schwor ich mir deshalb, sooft mein Blick auf den blöden Daikoku fiel, wer stellte sich so was schon hin, aber wenn ich anfing zu trinken, vergaß ich offenbar alles mögliche wieder, fiel betrunken ins Bett und hatte am nächsten Morgen, völlig verkatert, schon das Aufstehen war lästig, nicht die Energie, den Daikoku wegzuwerfen, was, in Schleife wiederholt, dazu führte, daß er blieb, wo er war. Heute aber. Heute ist er dran. Ich werfe ihn weg, den blöden Daikoku. Und zwar eigenhändig. Abrupt stand ich auf, schnappte mir den Kerl, ging in die Küche und wollte gerade von den beiden Abfalleimern unter der Spüle den Deckel desjenigen anheben, der mit dem Etikett »Nicht brennbarer Müll« versehen war, als plötzlich meine Hand erstarrte. Durfte ich diesen impertinenten Daikoku da hineinwerfen, zum nicht brennbaren Müll? Gehörte er nicht eher in die Kategorie »Sperr- und Sondermüll«? Der Zweifel nagte. Nach Monaten der Abstinenz betrat ich deshalb mein ehemaliges, jetzt zur Rumpel- kammer verkommenes Arbeitszimmer, wühlte mich durch Kartons, Kleiderkisten, MIDI-Geräte, Nakayama-Nacken- massagekugeln und anderen Krempel, zog schließlich unter einem SM-Magazin die Städtische Informationsbroschüre vom vorletzten Jahr hervor, ging damit wieder in die Küche und schlug die Seite »Leben, Umwelt, Müllentsorgung« auf. Nicht brennbarer Müll wurde dort als »nicht brennbarer bzw. zum Verbrennen nicht geeigneter Müll« definiert, während es bei Sperr- und Sondermüll lediglich hieß, er müsse telefonisch angemeldet werden, eine klare Definition wurde nicht gegeben. Gut, stellen wir das Ding mal mit dem nicht brennbaren Müll raus. Wenn dann aber, man weiß ja nie, der Müllmann denkt, Welcher Schwachkopf war das denn, Sperrmüll zum nicht brennbaren Müll zu stellen, verarschen kann ich mich alleine, und den Müll nicht mitnimmt, bleibt der behinderte Daikoku ewig an der Sammelstelle liegen, wird dort von Hausfrau A aus der Nachbarschaft erspäht, »Wer in aller Welt stellt denn so was raus? Nicht zu glauben!«, was Hausfrau B mit »Na wer wohl, dieser Kusunoki-san, wer sonst?« kommentiert, worauf Hausfrau A und Hausfrau C unisono »Wußt ichs doch!« sagen, »Der ist irgendwie unheimlich, hat schon tagsüber eine Fahne und strolcht nur herum, furchtbar!« anschließen, um bei »Das ist ein Frauenschänder oder ein Mörder, der Kusunoki, das sieht man an den Augen!« zu landen, »Ja, der ist gefährlich!« »Der muß weg!«, bis am Ende womöglich Zettel an den Zäunen hängen Mörder raus aus dem Viertel! und die Steine fliegen. Sperr- und Sondermüll, andererseits, habe ich, um ihn ordnungsgemäß zu entsorgen, laut der Städtischen Informationsbroschüre telefonisch beim kommunalen Reinigungsservice als solchen anzumelden und auf dem Grundstück, versehen mit einem Etikett, daß er beim kommunalen Reinigungsservice angemeldet worden ist, fahrbahn- überstandslos an den Straßenrand zu stellen, ohne daß freilich ein fester Termin vereinbart werden könne, da Sperr- und Sondermüll anmeldepflichtig sei und in der Reihenfolge der eingegangenen Anmeldungen abgeholt werde. Was, mit anderen Worten, heißt: Stell den Schurken offen vors Tor, auf daß alle unter der Sonne die Schande sehen. Worauf dann wieder die Hausfrauen klatschen werden »Ach, das ist doch ein Daikoku, wo kommt der denn her? Ist der nicht dem Mann von Frau Kusunoki wie aus dem Gesicht geschnitten? Der muß verrückt sein oder pervers.« »Der hat vielleicht Nerven, so etwas hier abzustellen!« »Mama, da liegt eine komische Puppe!« »Still, Takashi! Wenn du nicht fleißig lernst, wirst du wie Onkel Kusunoki!« und ich in wieder derselben Klemme lande: grundlos verfolgt und diskriminiert. Schließlich hatte ich genug: Ich beschloß, mich strafbar zu machen. Ich nahm mir, mit anderen Worten, vor, mich des albernen Glücksgottes auf widerrechtliche Weise zu entledigen, auf einem freien oder ungenutzten Grundstück, in einem Gebüsch, in einem einsamen Park, in einem Durchgang zwischen zwei Gebäuden. Irgendwo.