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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783947857050
Sprache: Deutsch
Umfang: 264 S., 2 Illustr.
Format (T/L/B): 2.5 x 20.1 x 14.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Susanne ist Schriftstellerin und Ghostwriterin. Als sie für einen zahlungskräftigen "Premium"-Kunden eine geschönte Autobiografie verfassen soll und dessen Änderungswünsche ins Utopische abgleiten, ist sie nahe am Verzweifeln. Ihr Verleger stellt Susanne kurzerhand seine Ferienwohnung in Italien zur Verfügung, um sie zu motivieren. Doch auf der Reise in den Süden verhindert mitten in den Schweizer Alpen ein Steinschlag die Weiterfahrt. Sie macht sich zu Fuß auf den vermeintlich leichten Weg zum Gebirgspass, bis sie von einem Unwetter überrascht wird. Andrin, ein hagerer, schweigsamer Mann undefinierbaren Alters, nimmt sie mit nach Voglweh, eine kleine verfallene Siedlung mit lediglich zwei Bewohnern, die kaum eine Verbindung zur Außenwelt haben und sich selbst versorgen. Aus ursprünglich einer Notübernachtung werden Tage, Wochen, Monate. ohne Telefon- und Internetverbindung, ohne Auftraggeber und Zwänge. Statt zu schreiben, erkundet Susanne die Umgebung und hilft Andrin bei der Sanierung eines Hauses. Dabei wird sie Zeugin merkwürdiger Vorgänge im Hochtal, die offenbar einzig Andrin verstehen und deuten kann. Alles scheint mit der besonderen Gesteinsformation und einer verlassenen Militäranlage in Verbindung zu stehen, und Susanne erlebt die unmittelbare Kraft der Natur, die ebenso zerstörerisch wie helfend wirken kann. - Und es wird tagtäglich gekocht - nach ungewöhnlichen Rezepten eines exzellenten Kochs, der vor Susanne Gast in Voglweh war und ihr beim Lesen seiner Aufzeichnungen zunehmend vertrauter wird. Als sie sich vor Einbruch des Winters unfreiwillig auf den Heimweg begeben muss, nimmt sie nicht nur wertvolle Geschenke mit, sondern auch einen Auftrag und die Gewissheit, dass sich Vieles für sie ändern wird.

Autorenportrait

Martina Altschäfer hat Bildende Kunst und Germanistik an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz und Freie Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Professor Konrad Klapheck studiert. Ihre künstlerische Arbeit ist unter anderem mit dem Burgund-Stipendium des Landes Rheinland-Pfalz sowie dem Preis des Landes Rheinland-Pfalz für Graphik ausgezeichnet worden. Trotz ihrer großen Vorliebe für das Gebirge lebt und arbeitet Martina Altschäfer in Rüsselsheim am Main. "Andrin" ist Martina Altschäfers Romandebüt, nachdem 2017 bereits ihr Erzählband "Brandmeldungen" mit zahlreichen farbigen Zeichnungen und Textcollagen im Mirabilis Verlag erschienen ist.

Leseprobe

Voglweh Wenn man vom Zustand der Militärstraße auf die Wehrhaftigkeit der hiesigen Armee schließen wollte, drängte sich der Gedanke auf, das ganze Land könne problemlos mit Steinschleudern in Besitz genommen werden. Die Straße, auf der wir jetzt entlangrumpelten, war nicht nur extrem schmal, sie hatte auch die gesamte Palette an Straßenschäden zu bieten: Abbrüche, Spurrillen und Bodenwellen, Schlagloch reihte sich an Schlagloch. Trotzdem kam Andrin mir jetzt weniger angespannt vor. Seit wir die Passstraße verlassen hatten, fuhr er mit der schlafwandlerischen Sicherheit des Ortskundigen. So gut es ging, umkurvte er die schadhaftesten Stellen. Für seine Ausweichmanöver war wenig Raum und so blieb es nicht aus, dass es den Jeep abenteuerlich von einer Seite auf die andere warf. Wir Insassen wurden kräftig durchgeschüttelt. Ich hielt mich gleichzeitig an Deckengriff und Sitz fest, um nicht gegen irgendetwas geschleudert zu werden. Andrin hatte nur das Lenkrad zum Festhalten; bei den ärgsten Löchern hob es ihn zentimeterhoch aus seinem Sitz. Draußen nagte das Unwetter unermüdlich an Farben und Formen, hatte Himmel, Wiesen, Fels und was sonst draußen an uns vorbeiziehen mochte, vertilgt und die Landschaft als undurchsichtigen Watteklumpen wieder ausgespuckt. Ich wusste schon lange nicht mehr, wo wir uns befanden. Alles war grau. Es gab das Nebelgrau, das nicht nur den Raum sondern auch die Zeit egalisierte. Es gab das Wassergrau, das vom Himmel rauschte, das schuttartig gegen die Scheiben klatschte, das in Bächen über die Straße lief, so dass der Jeep sekundenlang schwamm, wenn die Reifen den Kontakt zum Boden verloren, und es gab das Grau, das sich in meinem Kopf ausbreitete, das meine ursprüngliche Vorstellung von Voglweh verblassen ließ, als würden Schwamm und Wasser ein unvollständiges oder misslungenes Aquarell vom Papier waschen. Und alles verband sich in dem nicht enden wollenden Geprassel der Regentropfen auf Fenster, Dach, Motorhaube und Ladung mit dem Taktschlag, mit dem der Scheibenwischer das Konzert dirigierte und dabei ein Tempo anschlug, schneller als ein Sportlerherz bei maximaler Belastung. Ich kann nicht sagen, wie lange wir in dieser Schlechtwetterwolke gefangen waren, bis der Regen etwas nachließ und der Nebel transparenter wurde. Von irgendwoher fiel ein magisches Licht in die Ungegend und lupfte das Grau wie einen Theatervorhang verheißungsvolle zwei, drei Meter empor. Zu beiden Seiten des Fahrzeugs materialisierten sich vor Nässe glänzende Sockelzonen anthrazitfarbener Felswände und verloren sich in unwägbaren Höhen. Erst hielten sie Abstand, rahmten die Fahrbahn respektvoll ein, dann kamen die Wände näher und näher, wurden aufdringlich, waren weniger als eine Armlänge, dann eine Handbreit vom Jeep entfernt, bis die Straße nur noch ein Spalt im Fels war. Wir holperten durch den steinernen Kanal, eine Klamm, bis die rechte Felswand abrupt endete. Mehr Licht kam durch die Wolken, brachte nun eine deutliche Verbesserung der Sicht, bis die Umgebung wieder farbig wurde. Aus meinem Fenster sah ich weit unterhalb der Straße ein grünes Tal. Inmitten des Tals lag ein See, dessen von Regen und Wind bewegte Oberfläche in einem dunklen Türkis schimmerte. 'Da ist es', sagte Andrin, leiser nun, da die Wassertropfen weniger heftig auf das Auto trommelten. Das Unwetter schien abzuklingen. Ich fand, dass wir uns eine Atempause verdient hatten. Ab jetzt ging es bergab. Die Fahrt wurde rasant, links war der Fels, die rechte Straßenflanke war ungesichert, keine Leitplanke, keine Mauer, nicht einmal ein Begrenzungspfosten markierte das steil abfallende Gelände direkt neben der Fahrbahn. Der Jeep rollte schneller, wie ein Lasttier, das den heimatlichen Stall wittert. Andrin hielt das Fahrzeug dicht an der Felswand, da an meiner Seite der Abgrund gähnte. 'Da ist der Zufluss des Sees!' Mit einer raschen Kopfbewegung wies er in Richtung eines Baches oder Flusses, der zäh wie Quecksilber in den Wiesen glitzerte, um sich kurz

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