Beschreibung
Drei Orte markieren die wechselvolle Geschichte der Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig. Nicht weit entfernt vom Standort des jetzigen Neubaus befand sich die im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörte historische Kirche von 1847. Es dauerte fast drei Jahrzehnte, bis es 1982 schließlich zum Ersatz für diese Kirche kam. Auf Betreiben der DDR-Behörden mußte dieser Bau allerdings in einer Vorstadt errichtet werden. Wegen seiner ungünstigen Lage und auch weil das Gebäude von Anfang an Bauschäden aufwies, entschloß sich die Gemeinde 2008, in der Stadtmiite einen neuen Anfang zu wagen. Die 2015 geweihte dritte Trinitatiskirche ist der größte katholische Kirchenneubau in Ostdeutschland seit der politischen Wende von 1989/90. Die neue Kirche liegt nicht nur mitten in der Stadt, sondern an einem Ort, der prominenter nicht sein könnte: gegenüber dem großen Komplex des Neuen Rathauses. Für den Neubau mit angeschlossenem Pfarrzentrum wurde 2009 ein Wettbewerb ausgelobt, den die Leipziger Architekten Ansgar und Benedikt Schulz für sich entscheiden konnten. Sie überzeugten die Jury vor allem dadurch, daß sie das dreieckige Grundstück geschickt ausnutzten und dabei mit dem kompakten Körper der Kirche im Osten und dem Turm im Westen zwei markante Eckpunkte im Stadtraum schufen. Zwischen Turm und Kirche erstreckt sich der großzügige Pfarrhof, der sich nach zwei Seiten hin zur Umgebung öffnet, was die programmatische 'Offenheit' der Kirchengemeinde unterstreicht. Der Bau erhält seine homogene Erscheinung durch die Verkleidung aller Baukörper mit einheimischem Prophyr, einem Stein vulkanischen Ursprungs, der in feinen Rottönen changiert. Zeigt sich die Kirche nach außen hin ganz hermetisch, überrascht der Innenraum mit 14,5 m lichter Höhe den Besucher durch eine vibrierende Helligkeit. Entscheidend dafür ist das Oberlicht auf der Ostseite in 22 m Höhe. Aus der für die Gläubigen unsichtbaren Quelle fällt Zenitlicht auf die gesamte Rückwand hinter dem Altar. In seiner Disposition folgt der Kirchenraum den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils: Aufhebung der Trennung zwischen Priesterund Gemeindebezirk, Volksaltar anstelle von Hochaltar, Versammlung der Gläubigen im Sinne der 'communio' um die liturgische Mitte. Neben seiner Haupttätigkeit als Architekturpublizist hat Wolfgang Jean Stock neun Jahre lang die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst und ihre Galerie in München geleitet. Entsprechend seiner strengen bildnerischen Auffassung, die unwillkürlich an das Werk von Hilla und Bernd Becher denken läßt, hat es eine gewisse Folgerichtigkeit, daß der Photograph Stefan Müller die Bauten von Owald Mathias Ungers, Max Dudler, Kleihues+Kleihues oder Schulz und Schulz kongenial ins Bild setzt.