Beschreibung
Im Mittelpunkt dieses Bandes stehen die linkskommunistische Kritik am beginnenden Stalinismus und mehr noch der Zusammenhang von Arbeiterbewegung und Faschismus. Der Faschismus wird nicht übermächtig aus eigener Stärke, sondern aus der Schwäche seiner Gegner. Man kann dies als Leitsatz der Essays Christian Riechers' verstehen. Welchen Anteil haben taktische Fehlentscheidungen und ideologische Phraseologie, exemplarisch verdichtet in den Maßnahmen stalinistischer Gängelung, an der welthistorischen Niederlage der Arbeiterbewegung in den 20er Jahren? Im Mittelpunkt stehen die linkskommunistische Kritik am beginnenden Stalinismus und mehr noch der Zusammenhang von Arbeiterbewegung und Faschismus. Faschismus, womit zunächst der italienische gemeint ist, analysiert Riechers als Ergebnis eines verloren gegangenen - und verloren gegebenen (!) Klassenkampfes. Der Marxismus, so stellt Riechers in der Nachfolge Amadeo Bordigas (erster, noch konsequent kommunistischer Vorsitzender der italienischen KP) fest, ist nicht die Lehre von der Revolution, sondern von der Konterrevolution. Revolutionen machen - das kann jeder! Aber die Niederlagen verkraften, sie verstehen, sich in ihnen zurechtzufinden - dazu bedarf es der feinen Sensoren der Marxschen Kritik. Das ist Riechers' Credo. In den 70er Jahren, als bundesdeutsche Linksstudenten im fleißigen Parteiaufbau alles taten, um - wahrhaft un-marxistisch - nicht über diese welthistorische Niederlage nachdenken zu müssen, kommt Riechers auf die Frühgeschichte des Faschismus, sozusagen: die italienische Eröffnung, zurück. Er entdeckt Ignazio Silone als brillanten Analytiker, und vor allem rehabilitiert er Amadeo Bordiga: Weder macht Riechers den Bordiga-Kult bizarrer Splittergruppen mit noch schließt er sich dem Mainstream an, in dem Bordiga bloß als halsstarriger Dogmatiker vorkommt. Tatsächlich ist die Penetranz, mit der Bordiga immer wieder der Kommunistischen Internationale ihre Fehleinschätzungen vorwirft, ist das Misstrauen, das er sozialdemokratischen Bündnispartnern im Kampf gegen den Faschismus entgegenbringt, im hohen Maße realistisch.
Autorenportrait
Christian Riechers (1936-1993) kann man mit Fug und Recht als ersten westdeutschen Gramsci-Forscher bezeichnen. Während Ende der 70er Jahre enttäuschte Linke ihre letzte Zuflucht in den Schriften Antonio Gramscis suchen, geht es Riechers um radikale Kontextualisierung: um die Verortung Gramscis in einem Geflecht aus italienischer Geistesgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts und prä-stalinistischer Parteipolitik. Der erste Gramsci-Forscher ist zugleich der erste Gramsci-Kritiker. Riechers, ein Schüler des Rätekommunisten Willy Huhns, leitete von 1971 bis zu seinem frühen Tod das 'Projekt Arbeiterbewegung' an der Universität Hannover. Er lebte zuvor acht Jahre in Italien, wo er Gelegenheit fand, mit Amadeo Bordiga in Kontakt zu kommen. 1978 gab er Ignazio Silones 'Der Fascismus' neu heraus. Felix Klopotek, 1974, lebt und arbeitet als Journalist und Autor (u.a. für Jungle World, KONKRET, WDR) in Köln.