Beschreibung
Je mehr Johann Sebastian Bach für seine Matthäus-Passion gerühmt wurde, desto heftiger wurde der Dichter des Librettos, Christian Friedrich Henrici alias Picander, für rhetorische und theologische Ungereimtheiten gescholten. Aber sollte Bach mit einem Dilettanten zusammengearbeitet haben? Die Analyse dieser Studie kommt zu einem anderen Ergebnis. Henrici war rhetorisch wie theologisch geschult. Leonhart Hütters Compendium Locorum Theologicorum (1610) war als Standardwerk über die theologischen Grundentscheidungen der Reformation ein katechetischer Alltagsgestalter einer damaligen Schülerbiographie. Es ist insbesondere die lutherische Orthodoxie, die das theologische Gerüst für die Matthäus-Passion liefert, aber auch die Theologie Martin Luthers selbst. Henricis Libretto ist von einer theologischen Qualität, die Bach eine verlässliche Grundlage für seine Passionsmusik gab. Henrici war sich seiner Verantwortung bewusst. In den Leipziger Gottesdiensten durfte kein Allotria zu Gehör gebracht werden. Der in der Bach-Forschung mitunter sehr umstrittene Henrici hat ganze Arbeit geleistet. Seine Dichtungen zur Matthäus-Passion können sich wahrlich hören lassen.
Autorenportrait
REINER MARQUARD ist evangelischer Theologe. Er hat in Bethel, Heidelberg und Göttingen studiert und war Assistent am Karl Barth-Archiv in Basel. In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau war er als Pfarrer und Dekan tätig. Nach der Promotion bei Ingolf U. Dalferth wechselte er in die Evangelische Landeskirche in Baden zur Übernahme einer Professur für Evangelische Theologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg, deren Rektor er von 2007 bis 2014 war. Seit 2010 lehrt er an der Hochschule für Musik in Freiburg in den kirchenmusikalischen Studiengängen Evangelische Theologie, seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.