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Heute schon einen Prozess optimiert?

Das Management frisst seine Mitarbeiter

Erschienen am 12.02.2020, 1. Auflage 2020
Auch erhältlich als:
24,95 €
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593510842
Sprache: Deutsch
Umfang: 328 S.
Format (T/L/B): 2.6 x 22 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Autorenportrait

Gunter Dueck war Mathematikprofessor und bis August 2011 Chief Technology Officer bei IBM. Seitdem lebt er im Unruhestand. Er arbeitet als Autor, Blogger, Netzaktivist, Business Angel und Speaker und widmet sich weiterhin unverdrossen der Weltverbesserung. Bei Campus erschienen seine Bücher 'Das Neue und seine Feinde' (2013), 'Schwarmdumm' (2015), 'Flachsinn' (2017), 'Heute schon einen Prozess optimiert?' (2020) und 'Keine Sinnfragen, bitte!' (2022).

Leseprobe

Das Management frisst seine Mitarbeiter - eine Einführung Die ersten paar Seiten dieses Buches verwende ich, um Ihnen ein Gefühl für den Inhalt des Buches zu geben. Ich kreise das Thema zunächst vorsichtig ein und gehe danach auf den Inhalt der einzelnen Kapitel ein. Unser Unwohlsein mit dem Management und der Politik hat viele Ursachen, die uns zusammengenommen zu einem Leben im Hamsterrad verurteilen - wenn wir nicht arbeitslos oder altersarmutsgefährdet enden wollen. 'Wenn eine Sintflut kommt, so baue Schiffe, keine Deiche.' Stellen Sie sich das Einbrechen der digitalen Zukunft wie eine Sintflut vor. Die Menschen wundern sich, dass es schon so lange regnet. Hört es irgendwann auf? Muss man Deiche bauen? Wenn das Wasser noch länger ansteigen sollte, könnte es ratsam sein, Schiffe zu bauen wie Noah in der Bibel. Und was tun wir? Wir warten ab. Es wird schon nur ein vorübergehender Regen sein. Aber es regnet lange, sehr lange. Vielleicht hört es tatsächlich irgendwann auf. Aber was, wenn nicht? Das Wasser steht inzwischen immer höher, wir bauen kleine Behelfsdeiche und verdichten sie, weil es ja immer noch regnet Müssen wir unsere Heimat wirklich verlassen? Wir haben keine Ahnung, wie man Schiffe baut. Das haben wir noch nie gemacht. Wir ziehen uns im Notfall in Häuser auf Grundstücken zurück, die etwas höher liegen, das rettet uns für den Moment. Aber was passiert, wenn der Regen nie aufhört? Die Banken sehen seit über zwanzig Jahren zu, wie Kunden immer mehr ins Internet abwandern. Was passiert mit den Filialen? Die stehen schon lange im Regen. Die Dieselmotorenhersteller schauen seit Jahren besorgt in den Himmel, denn das Zukunftsklima verlangt nach Elektro- oder besser noch Brennstoffzellenmotoren. Aber ist das wirklich so? Kann man den Diesel nicht doch noch retten? Die Erde erwärmt sich, die Pole schmelzen, die Gletscher verschwinden. Ist das nur für ein paar Jahre? Hört es vielleicht bald auf? Sollten wir Deiche bauen oder besser umziehen, wenn unsere Heimat zur Wüste verbrennt und Sibirien oder Grönland zu einer echten Alternative werden? Und wann gehts los? Steigen dort nicht schon die Grundstückspreise, weil die USA gerne Grönland kaufen würden? Wahr ist aber auch: Wir haben keine Ahnung, wie man woanders lebt. Wir haben das noch nie gemacht. Das Ansteigen der Temperaturen muss aufhören. Sonst bekommen wir Probleme. Tatsächlich sind wir einfach unschlüssig. Übertragen auf den Arbeitsmarkt der Zukunft heißt das: Bauen wir Schiffe zum Übersetzen auf den digitalen Zukunftskontinent? Das würde bedeuten, wir suchten nach möglichen digitalen Innovationen, die unser neues Zeitalter prägen. Heuern wir also die Matrosen der neuen Zeit an und entdecken fruchtbares Neuland? Leider wissen wir nicht genau, wie das geht! Oder bauen wir doch lieber wie bisher Deiche, damit wir länger in unserer vertrauten Umgebung ausharren können? Das würde bedeuten, dass wir die Digitalisierung nutzen, um das schon Bestehende effizienter, menschensparender und hauptsächlich kostengünstiger zu machen. Das können wir gut, weil wir es schon seit vielen Jahren so praktizieren. 'Wenn eine Sintflut kommt, so baue auf Effektivität und nicht nur auf noch mehr Effizienz.' Dieses Buch ist eine Kritik am verzweifelten Deichbau, so wie wir ihn aus Management und Politik kennen. Denn Deutschland scheint sich fest gegen eine gute Zukunft stemmen zu wollen. Deutschland igelt sich ein. Seit etwa 35 Jahren sind die Manager der Industrieproduktion dabei, die Prozesse zu optimieren und Roboter einzusetzen. Sie haben damit sensationelle Erfolge erzielt. Diese Entwicklung strahlt natürlich aus. Nun packen die Manager die Servicegesellschaft mit denselben Methoden wie beim Reengineering der Produktion an. Alle sind sie neuerdings oder schon seit langer Zeit 'in search of efficiency', auf der Suche nach Effizienz. In den Jahren davor hatte Effizienz einen relativ geringeren Stellenwert, da die ständige Verbesserung noch nicht perfekter Produkte im Vordergrund stand, exemplarisch in der boomenden Automobilindustrie. Erst als die Produkte ausgereift waren, entdeckte man die Goldgrube der effizienteren Herstellung. Die Innovation betraf nicht mehr länger die Produkte, sondern ihre Herstellung. Prozessoptimierung wurde zum Gebot der Stunde. Innovationen bringen einen möglichst effektiven Nutzen, danach konzentriert man sich auf effiziente Produktions- und Leistungserbringungs­verfahren. Das Aufkommen von Computern, Datennetzen und Unternehmenssoftware ('SAP') führte zu einem enormen Effizienzschub und damit zu weiteren großen Profitsteigerungen. Diese Fortschritte waren so groß, dass sich das Management kollektiv fast nur noch auf die Effizienz­fragen kaprizierte und die andere Seite, die der Innovation, immer mehr links liegen ließ. Das Ergebnis: Nach nun einigen Jahrzehnten der maximalen Effizienz haben die Manager und damit die Unternehmen viel an Zukunftsfähigkeit eingebüßt. Denn etwas Anderes oder Neues zu erschaffen ist eine vollkommen andere Aufgabe, als erfolgreiche Produkte oder Dienstleistungen immer schneller und billiger herzustellen oder zu liefern. Es geht aber für die nächsten Dekaden mehr um neue Inhalte und ein verändertes Denken, nicht mehr so sehr um das alte Ringen um die effizienteste Form. Trotzdem bleibt das heutige Management eisern dem Effizienzprinzip verpflichtet: es macht Druck, versucht alle Arbeiten zu industrialisieren, zu roboterisieren und damit die verbliebenen Aufgaben der Menschen immer schlechter zu bezahlen. Wer als Mitarbeiter nicht auf Lohnzuschläge oder Weihnachtsgeld verzichtet oder wenigstens unbezahlte Überstunden verschenkt, wird durch Billigkräfte ersetzt oder 'ausgelagert'. Die Drohung der Unternehmen, 'nach Asien' zu gehen, verbreitet Arbeitsplatzverlustangst. Inzwischen hat schon eine ganze Management­generation vorwiegend Effizienz betrieben. Die Folge ist, überspitzt formuliert: 'Das Management kann nichts anderes mehr.' Ein Blick in die aktuelle Unternehmenspresse verrät: Ein Automobilzulieferer verlagert einen Teil der Produktion nach Litauen, und der Geschäftsführer schwärmt wörtlich so: 'Hier sind gut qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte zu - aus unserer Sicht - fairen Lohnkosten verfügbar.' Das Wort 'fair' dürfen die Mitarbeiter in Deutschland getrost als Ohrfeige verstehen. Ihr Chef sagt nicht ehrlich: 'Dort ist es für uns billiger.' Er sagt stattdessen 'fair'. Heißt das, er findet die Löhne der Stammbelegschaft unfair?! Und trotzdem wird er bei der nächsten Motivationsveranstaltung skrupellos wie alle Topmanager flöten: 'Die Mitarbeiter sind unser höchstes Gut.' [Was übrigens nur ausspricht, was alle ahnen: Die Mitarbeiter gehören dem Unternehmen.] Die Öffentlichkeit empört sich schon längere Zeit. Auch die Presse klagt in ihren Kommentaren mit immer deutlicheren Worten an: Raubtierkapitalismus Ausbeutung Hamsterrad Effizienzwahn Gier Sklavenhaltung Menschenverachtung Lohndumping Heuschreckeninvestoren Manager und Politiker sinken seit Jahren tief im Ansehen der Bevölkerung. Genießen sie bald ein ähnliches Misstrauen wie Versicherungsvertreter? Ohne schimpfen zu wollen: Jeder sieht nach den langen Jahren des Effizienzstrebens, dass die Balance verloren gegangen ist und noch weiter verloren geht. Trotz dieser Erkenntnis ändert sich nichts, obwohl das Unwohlsein spürbar ist. Dieselben Manager, die tagsüber die Mitarbeiter im Meeting 'auspeitschen', sind abends bei einem Glas Wein auf der Terrasse ganz unserer Meinung. Sie finden die Welt, die sie regieren, nicht mehr erstrebenswert. Aber die Realität, die sie zu verantworten haben, finden sie ausweglos 'beinhart' - sie haben einen 'Knochenjob'. Sie wissen, dass sie in einer Tretmühle stecken, und fühlen sich trotz ihrer Macht ganz machtlos. 'Es sind keine guten Zeiten mehr, auch wenn wir gerade auf bilanzmäßig goldene Jahre zurückblicken können.' Unsere Chefs wissen also schon noch, dass etwas außer Kontrolle geraten ist, ...

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