Beschreibung
Zwei Top-Reporter berichten aus Afghanistan In ihren faszinierenden, mitunter schockierenden Reportagen bringen uns Susanne Koelbl und Olaf Ihlau den Konfliktherd Afghanistan nahe. Sie sprechen mit Beteiligten aller Seiten jungen Talibankämpfern, Drogenbaronen, verschleierten Polizistinnen, westlichen Diplomaten und Soldaten und geben damit dem vermeintlich so fernen Konflikt ein konkretes Gesicht. Debatte über Bundeswehreinsatz am Hindukusch geht weiter.
Leseprobe
Ein betörender Sog ging stets von diesem Flecken Erde aus mit seinem weiten blauen Himmel und der glasklaren Luft, den majestätischen Schneegipfeln von über 7000 Metern Höhe und den Flusstälern mit den Maulbeer- und Eukalyptusbäumen. Die Klimazonen in Afghanistan entsprechen denen vom kalten Skandinavien bis zur sengenden Hitze der Sahara, es gibt ständigen Wassermangel und zugleich reißende Überschwemmungen. Die machtvolle Natur lässt bereits einen Vorgeschmack auf die Extreme erahnen, die den Besucher am Hindukusch erwarten. Was sind das für Menschen hier, die Unschuldigen mit einem Messer die Kehle durchschneiden oder sechsjährige Kinder zu Selbstmordattentätern ausbilden?, fragen sich Europäer und Amerikaner, die heute eine Zeitung mit den neuesten Nachrichten aus Afghanistan aufschlagen. Es ist "eine extreme Unbezähmbarkeit", beschreibt der Kölner Soziologe und ehemalige Lehrbeauftragte der Universität Kabul René König den Charakter der Paschtunen, der größten afghanischen Volksgruppe, aus denen sich die meisten der radikalislamischen Taliban rekrutieren. Doch auch Islamisten folgen zumeist traditionellen Spielregeln, zum Beispiel dem Paschtunwali, einem archaischen Ehrenkodex, der die Blutrache kennt, aber auch die heilige Verpflichtung zur Gastfreundschaft: Danach setzen die Afghanen jederzeit ihr Leben ein, wenn ihnen die Unversehrtheit einer Person anvertraut wird. Mit diesem Fremden würden sie dann auch die letzte Kelle Reis teilen, selbst wenn er ein "Kafir", ein Ungläubiger, ist. So reisten auch die Autoren dieses Buches oft unter dem Schutz regionaler Patrone, ohne die der Zugang zu vielen Orten und Menschen nicht möglich gewesen wäre. Auf dem sogenannten Hippie-Trail, der Traumstraße von Istanbul bis Nepal, war Afghanistan in den Sechziger- und Siebzigerjahren eines der spektakulärsten Etappenziele. Eine Übernachtung in einem der kleinen Hotels um den legendären Basar "Chicken Street" im orientalischen Kabul mit seiner grandiosen Bergkulisse kostete damals umgerechnet zwei Mark, und ein Kilo "Chars", besser bekannt als "Schwarzer Afghane", angeblich das beste Cannabisharz der Welt, war für 60 Mark zu haben. Die Freundlichkeit der Afghanen hat die Reisenden stets fasziniert, und ihre einmalige Gastfreundschaft bewahrten sich die Menschen trotz ihrer tragischen Geschichte, auch wenn sie inzwischen immer öfter ein anderes Gesicht zeigen, das grausam ist und roh, voller Unbarmherzigkeit. Afghanistan ist eines der widersprüchlichsten und abenteuerlichsten Länder überhaupt. In den Städten glitzern heute, gut sieben Jahre nach der Vertreibung der Taliban, bunte Shopping Center, und über Mobiltelefone und Internet sind die Afghanen mit der modernen Welt verbunden. Hinter den Lehmmauern der Wohngehöfte auf dem Land herrschen jedoch archaische Verhältnisse. Die Frauen gehen tief verschleiert. In den Bergregionen der Stammesgebiete trägt fast jeder Mann eine Waffe und scheut sich nicht, sie auch zu gebrauchen. Wer heute nach Afghanistan geht, den erfasst unweigerlich dieser Widerstreit aus Anziehung und Abgrund. Immer wieder versuchten fremde Mächte, die Instabilität der Region zu nutzen, um das Herzland Asiens zu unterwerfen und zu beherrschen, doch niemandem ist dies auf Dauer je gelungen. Die Engländer scheiterten in drei fürchterlichen Kriegen. Die Sowjets rangen in den Achtzigerjahren um die Vorherrschaft am Hindukusch. Ihre Hightech-Armee mit über 100 000 Mann wurde von den zähen Guerillakämpfern geschlagen und verjagt. Nach den Angriffen der Terrorgruppe al-Qaida auf das World Trade Center und das Pentagon kämpfen dort nun seit Oktober 2001 die Amerikaner und ihre westlichen Alliierten um Dominanz und Stabilität. Afghanistan ist eingeschlossen von sechs Ländern und ohne Zugang zum Meer. Doch gerade seine geographische Lage macht die Region strategisch interessant. Von hier aus lässt sich der fragile Nachbar Pakistan mit seinen extremistischen Gruppen beobachten, immerhin ein nuklear bewaffnetes Land; im Weste Leseprobe