Die Frage nach dem Stellenwert des frühchristlichen Kultmahls im johanneischen Schrifttum beschäftigt seit dem 19. Jahrhundert die neutestamentliche Forschung. Das Johannesevangelium erwähnt in seiner von der synoptischen stark abweichenden Darstellung der Passionserzählung zwar ein letztes gemeinsames Abendmahl (î) Jesu, bei dem er seinen Jüngern die Füße wäscht (Joh 13); es verzichtet aber auf die Einsetzung eines zukünftigen (Kult-)Mahles in der Weise, wie es die synoptisch-paulinische Tradition der Deuteworte nahelegt. Andererseits wird in Joh 6 Jesus als Lebensbrot proklamiert und scheinbar unmissverständlich der (rituelle) Genuss seines Fleisches und Blutes gefordert. Trotz zahlreicher Lösungsvorschläge wird dieser Befund weiterhin kontrovers beurteilt.
Die vorliegende Arbeit entwickelt anhand kompositionsanalytischer und hermeneutischer Beobachtungen die These, dass das Johannesevangelium in seiner rezipierten Gestalt eine hoch reflektierte Abendmahlstheologie bietet. Diese resultiert aus einem umfassenden, in der Gemeindegeschichte begründeten Transformationsprozess: Praxis und theologische Deutung des gemeinschaftlichen Kultmahls verbinden sich in spezifischer Weise mit der Frage nach dem religiösen Selbstverständnis johanneischer Christen.